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106. Armenseelenfest in Wülfershausen a. d. Saale: Ein Gedenken mit historischer Tiefe und gesellschaftlicher Verantwortung
Erster Bürgermeister
20.07.2025, 18:51
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Am Sonntag, den 20. Juli, wurde in der Saalegemeinde Wülfershausen ein Zeichen gesetzt – für Erinnerung, für Verantwortung und für den Frieden. Das 106. Armenseelenfest, ein seit über einem Jahrhundert tief verwurzelter Gedenktag, erhielt in diesem Jahr eine außergewöhnliche historische Tiefe: Es fiel auf den 81. Todestag von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, dem Symbol des militärischen Widerstands gegen Hitler. Die bewegende Gedenkrede hielt sein Enkel Karl Schenk Graf von Stauffenberg – eine Stimme der Erinnerung, aber auch des eindringlichen Appells an die Gegenwart.

Traditionell beginnt das Armenseelenfest am dritten Sonntag im Juli mit einem kirchlichen Hochamt in der St.-Vitus-Kirche. Begleitet von einer festlichen Kirchenparade, angeführt von der Musikkapelle Wülfershausen, Vereinsabordnungen, Trachtenfrauen, Bürgermeister Wolfgang Seifert, Mitgliedern des Gemeinderats und Vertretern der Kirche, versammelten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger vor dem Gotteshaus.

Pfarrer Stefan Frank aus Bad Königshofen zelebrierte die feierliche Messe. In seiner anspruchsvollen und tiefgründigen Predigt spannte er den Bogen von der Geschichte zur Gegenwart. „Wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann sein Leben nicht umfänglich gestalten“, betonte Frank. Sein Aufruf zur Wachsamkeit gegenüber den Herausforderungen des Lebens fand in den Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer großen Nachhall.

Im Anschluss an das Hochamt bewegte sich der Trauerzug, angeführt von den Kranzträgern der Freiwilligen Feuerwehr, in einem feierlichen Marsch durch die Ortsmitte zum Kriegerdenkmal. Dort begrüßte Bürgermeister Wolfgang Seifert alle Anwesenden zum offiziellen Gedenkakt – unter ihnen Ehrengäste, Vereinsvertreter und viele Mitbürgerinnen und Mitbürger. Nach einem Friedensgebet von Pfarrer Frank und einem eindrucksvollen Musikstück der Musikkapelle Wülfershausen erhob sich Karl Schenk Graf von Stauffenberg zu seiner Rede.

In seiner eindringlichen und bewegenden Ansprache erinnerte er daran, dass das bloße Gedenken an die Opfer der Kriege nicht ausreiche. Es bedürfe einer aktiven Haltung zum Schutz unserer freiheitlichen Demokratie – einer Demokratie, die zu oft als selbstverständlich angesehen werde, obwohl sie täglich von außen wie von innen angegriffen werde. In der Erinnerung an seinen Großvater, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, rief er dazu auf, nicht nur der Vergangenheit zu gedenken, sondern die Lehren daraus im täglichen Handeln lebendig werden zu lassen. Der 20. Juli 1944 – der gescheiterte Versuch, Hitler zu stürzen – stehe exemplarisch für Mut, Gewissen und Verantwortung.

Bürgermeister Wolfgang Seifert legte gemeinsam mit der Ehrenabordnung der Freiwilligen Feuerwehr Wülfershausen, zu den Klängen der Musikkapelle, den Ehrenkranz der Gemeinde nieder. Das Lied vom „guten Kameraden“ erklang in ergreifender Stille – ein Moment, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart berührten. Gemeinderätin Petra Seifert trug das Totengedenken vor, bevor die Gedenkveranstaltung mit der Bayernhymne und der dritten Strophe des Deutschlandlieds ihren würdevollen Abschluss fand.

In seiner abschließenden Ansprache dankte Bürgermeister Seifert allen Beteiligten für ihr Engagement und betonte die besondere Bedeutung dieses Tages. Er erinnerte daran, dass das Armenseelenfest in jüngerer Zeit zunehmend an Unterstützung in der Dorfgemeinschaft verliere – mahnte jedoch zugleich mit klaren Worten: „Wir werden an dieser außergewöhnlichen Gedenkveranstaltung festhalten. Nicht der Zeitgeist, sondern die Erinnerung, die Mahnung und die Verantwortung leiten unser Handeln.“

Im Anschluss lud die Gemeinde die Ehrengäste, Mitglieder des Gemeinderats und alle Mitwirkenden zum traditionellen gemeinsamen Mittagessen ein – ein Ausdruck der Wertschätzung und des Miteinanders.

Ein Ort des Erinnerns wird zum Forum für Verantwortung
Das diesjährige Armenseelenfest hat über die Grenzen der Gemeinde hinaus Wirkung entfaltet. Es wurde zu einem Tag, an dem sich Geschichte in Gegenwart verwandelte. In einer Zeit, in der erneut Krieg Leid und Zerstörung nach Europa bringt – besonders sichtbar durch die andauernde russische Aggression gegen die Ukraine – ist die Mahnung, für Frieden, Toleranz und Menschlichkeit einzutreten, aktueller denn je.

Die Gemeinde Wülfershausen hat mit diesem Gedenktag ein starkes Zeichen gesetzt: Für Versöhnung, für das Bewusstsein unserer Geschichte – und für ein friedliches Miteinander über Generationen hinweg. Das Armenseelenfest bleibt ein fester Pfeiler des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens. Es ist mehr als eine Tradition – es ist ein Auftrag.

 


Beschreibung

Erster Bürgermeister der Gemeinde Wülfershausen.